EXPERTENINTERVIEW EXPERTENTELEFON \"CHOLESTERIN\" am 09.06.2011

Erhöhtes Cholesterin:

Erfolge mit modernem Lipidmanagement

Interview mit Prof. Dr. Sabine Westphal, Oberärztin des Institutes für Klinische Chemie der Universität Magdeburg zum Thema „Cholesterin“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu hohes LDL-Cholesterin steigert das Herz-Kreislauf-Risiko. Doch lassen die Deutschen ihre Werte regelmäßig überprüfen?

  • Prof. Dr. Sabine Westphal: Noch vor gut zehn Jahren zeigten Umfragen, dass die Befragten ihre eigenen Cholesterinwerte nur unzureichend kannten und nicht ausreichend über die nötigen Zielwerte informiert waren. Heute ist zwar eine Verbesserung des Informationsgrades zu erkennen, der aber noch nicht ausreicht. So sollte beispielsweise die Suche nach erhöhten LDL-Cholesterinspiegeln bei Arztbesuchen aus anderen Anlässen oder wegen Bagatellerkrankungen intensiviert werden.

Warum hat die Bestimmung des Gesamtcholesterins allein wenig Aussagekraft? Welche Werte sollte man noch kennen?

  • Prof. Dr. Sabine Westphal: Der Gesamtcholesterinwert ist die Summe der Cholesterinanteile aller Lipoproteine im Blut. Der Arzt kann das Herz-Kreislauf-Risiko aber nur anhand von differenzierten Werten beurteilen. Die verschiedenen Lipoproteine haben unterschiedliche Aufgaben. Die Low-Density-Lipoproteine (LDL) transportieren Cholesterin von der Leber zu den Geweben und können eine Arteriosklerose hervorrufen. Dagegen nehmen High-Density-Lipoproteine (HDL) Cholesterin aus den Geweben auf und bringen es zur Ausscheidung in die Leber zurück. So wirkt HDL-Cholesterin einer Arteriosklerose entgegen. Zu einer Erhöhung des Gesamtcholesterins tragen auch Lipoproteine bei, die vor allem Neutralfette (Triglyzeride) enthalten. Daher ist es erforderlich, die LDL- sowie HDL-Cholesterin-Konzentration und auch die Triglyzeride zu bestimmen.

Welche Blutfettkonzentrationen gelten als bedenklich bzw. unbedenklich?

  • Prof. Dr. Sabine Westphal: Die empfohlenen Werte hängen immer von persönlichen Risikofaktoren ab. Bei einer Person mit maximal einem Risikofaktor sollte das LDL-Cholesterin unter 160 mg/dl (4,0 mmol/l) liegen. Liegen zwei oder mehr Risikofaktoren vor, sollte es unter 130 mg/dl (3,4 mmol/l) sein. Für alle KHK- und Diabetespatienten gilt: LDL unter 100 mg/dl (2,6 mmol/l). Das HDL-Cholesterin sollte bei Männern über 40 mg/dl (1 mmol/l) und bei Frauen über 50 mg/dl (1,2 mmol/l) liegen. Der Wert für die Triglyzeride, im Nüchternzustand gemessen, sollte kleiner als 150 mg/dl (1,7 mmol/l) sein.

Es gibt Faktoren, die das Herz-Kreislauf-Risiko erhöhen – welche sind das?

  • Prof. Dr. Sabine Westphal: Neben dem Alter und männlichem Geschlecht gibt es klassische Risikofaktoren, die das Herz-Kreislauf-Risiko verstärken: Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie und Rauchen. Knapp 60 Prozent aller aufgetretenen Herzinfarkte könnten vermieden werden, wenn diese Risikofaktoren ausgeschaltet werden. Besondere Sorgfalt gilt Menschen, in deren Familie schon frühzeitig koronare Herzkrankheiten aufgetreten sind – bei männlichen Familienangehörigen vor dem 55. Lebensjahr und bei weiblichen vor dem 65. Lebensjahr.

Warum wird bei der Behandlung neben der LDL-Senkung auch eine HDL-Erhöhung angestrebt?

  • Prof. Dr. Sabine Westphal: Statine senken nachweislich das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Trotz Normalisierung der erhöhten LDL-Cholesterinspiegel bleibt aber ein Restrisiko bestehen, das zumindest partiell durch andere Veränderungen der Blutfette bedingt sein könnte. Niedrige HDL-Spiegel unter 40 mg/dl (1 mmol/l) tragen zu diesem erhöhten Restrisiko bei. Auch bei mit Statinen behandelten Patienten nimmt unabhängig vom erreichten LDL-Cholesterinwert mit sinkenden HDL-Werten das Herzinfarktrisiko zu. Daher ist generell eine Erhöhung des HDL-Cholesterins anzustreben.

Welche Rolle spielen die Triglyzeride?

  • Prof. Dr. Sabine Westphal: Als Triglyzeride werden die Neutralfette bezeichnet. Ab einem Wert von 150 mg/dl wird von erhöhten Werten gesprochen. Verbunden mit niedrigem HDL-Cholesterin- und nur leicht erhöhten LDL-Werten treten sie häufig bei Diabetes mellitus und Adipositas auf. Inwieweit erhöhte Triglyzeride das Arterioskleroserisiko steigern, ist trotz einer Vielzahl an Studien nicht eindeutig zu beurteilen, da sie nur in ganz seltenen Fällen isoliert auftreten. Für die Einschätzung des kardiovaskulären Risikos wird daher bislang auf erhöhte LDL- und/oder niedrige HDL-Spiegel geachtet.

Was können Medikamente bei der Behandlung von erhöhtem LDL-Cholesterin leisten?

  • Prof. Dr. Sabine Westphal: Bei erhöhtem LDL-Cholesterin werden Statine eingesetzt, die ein Schlüsselenzym der Cholesterinsynthese in der Leber hemmen. Sie senken das LDL-Cholesterin in der Regel um 30 bis 40 Prozent. Eine Verdopplung der Dosis führt nur zu einer weiteren Wirkungssteigerung von ca. sechs Prozent. Mit höheren Dosen steigt aber das Nebenwirkungsrisiko – es kann zu Erhöhungen der Leberwerte und der Enzyme des Muskelstoffwechsels kommen. Mit einer Monotherapie werden die LDL-Cholesterin-Zielwerte von weniger als 100 mg/dl (2,7 mmol/l) für Diabetiker und Herzgefäßkranke oftmals nicht erreicht. Dann besteht die Möglichkeit der Kombination mit anderen Medikamenten, beispielsweise einem Cholesterinresorptionshemmer, um das LDL-Cholesterin um bis zu weitere 25 Prozent zu senken. Stehen HDL- Cholesterin und Triglyzeride im Fokus, bieten sich Nicotinkombinationspräparate an. Seit einiger Zeit gibt es Nicotinsäure zusammen mit dem Wirkstoff Laropiprant, der die Nebenwirkungen herkömmlicher Nicotinsäure vermindert. Seither ist die Behandlung, die bei kombinierten Fettstoffwechselstörungen verordnet wird, deutlich verträglicher geworden.

Welche Rolle spielt Bewegung bei der Kontrolle der Blutfettwerte?

  • Prof. Dr. Sabine Westphal: Studien haben gezeigt, dass sich Bewegung längerfristig positiv auf das Herz-Kreislauf-Risiko auswirkt. Die Werte des HDL-Cholesterins können durch Bewegung erhöht, Triglyzeride und LDL-Cholesterin gesenkt werden. Daher empfehlen aktuelle Leitlinien zur Prävention einheitlich eine regelmäßige körperliche Aktivität an mindestens 5 Tagen der Woche zwischen 30 und 45 Minuten. Die Intensität des Trainings sollte sich an der individuellen Belastbarkeit des Patienten orientieren.

 

Quelle: deutsche journalisten dienste (djd,
Gesundheitsthemen